Wohnungsbauplanung auf Kirchgelände in Vilsendorf: Standortsicherung mit Tücken

Die Stimmung in Vilsendorf ist aufgewühlt – zumindest bei einem großen Teil der aktiven und größtenteils langjährig mit dem Standort verbundenen Kirchengemeindeglieder. Grund dafür sind die Vorplanungen zur wirtschaftlichen Nutzung des Kirchengrundstücks an der Vilsendorfer Straße durch Mietwohnungsbau, verbunden mit dem Abriss des alten Gemeindehauses und des ehemaligen Pfarrhauses.

Finanzieller Hintergrund

Beides beruht auf den Ergebnissen der sogenannten Machbarkeitsstudie, die das Presbyterium auf Empfehlung des Zentrumsausschusses Vilsendorf im Sommer 2018 beim Kirchenkreis Bielefeld in Auftrag gegeben hatte. Anlass dazu gab das bei den meisten Kirchengemeinden steigende, im Bereich Vilsendorf aber besonders krasse Missverhältnis zwischen zurückgehender Kirchensteuer und den verpflichtenden Rücklagen für Bauunterhaltung. Die hier vorhandene Gebäudefläche entspricht 0,68 m² pro Gemeindeglied – der Durchschnitt im Kirchenkreis liegt bei 0,39 m², wirtschaftlich sind laut Landeskirche aber nur 0,1m² pro Person. Schon zu Zeiten der Altgemeinde Vilsendorf blockierte der Bereich Bauunterhaltung zum Schluss die Hälfte der Kirchensteuerzuweisung. Und schon damals warnte der damalige Finanzkirchmeister Siegfried Wolter vor der absehbaren weiteren Entwicklung. Denn obendrein stand damals die Einführung des „Neuen Kirchlichen Finanzmanagements“ (NKF) im Kirchenkreis bevor – eine neue, moderne Buchführung, die doppelt so hohe Haushaltsansätze für Bauunterhaltung vorsieht.

Inzwischen ist genau das geschehen: Nahezu die gesamte Kirchensteuerzuweisung fließt in Vilsendorf in die Substanzerhaltungsrücklage. Das ist zwar nur ein Drittel der Gesamteinnahmen des Zentrumsstandortes, aber der einzig kalkulierbare Teil. Mit Spenden und begrenzten Fundraising-Projekten lässt sich nicht verlässlich planen. Strukturelle Ausgaben müssen langfristig gesichert sein. Über diese Situation und den Auftrag zur Machbarkeitsstudie wurde in einer Gemeindeversammlung in Vilsendorf im März 2019 informiert. Schon damals hieß es: „Mittelfristig werden nicht mehr alle Vilsendorfer Gemeindegebäude erhalten werden können“. (BK Nr.11, Sommerausgabe 2019) Es hieß aber auch: „Wir werden darauf achten, über alle Schritte regelmäßig zu informieren“. Dies allerdings ist nur unzureichend gelungen.

Im Mai stellte der Baureferent des Kirchenkreises Mark Brüning dem Presbyterium und den zuständigen Fachausschüssen die von einem externen Architekturbüro erstellte Machbarkeitsstudie vor. Und Otto H. Eisenhardt formulierte dazu schon für den Sommer-Gemeindebrief 2019:„Ganz verkürzt und ganz brutal: Die Planer schlagen vor, Gemeinde- und Pfarrhaus abzureißen und dort Wohnbebauung zu errichten. Die Kirche bleibt. Eine zwei- bis dreistöckige Bebauung mit 67 Wohneinheiten ist angedacht. Wie die Kirche (und möglicherweise auch Räume in den Neubauten?) für die Gemeindearbeit genutzt werden können, lässt die Studie offen. Im Vilsendorfer Bezirk und im Presbyterium muss nun eine klare Vorstellung erarbeitet werden, wie es vor Ort weitergehen soll. Die Diskussion hat begonnen. Wenn sich viele Gemeindeglieder beteiligen mit Ideen und Kritik, wird’s gut werden!“

Aber: Diese Zeilen wurde nie gedruckt. Weil es auf verschiedenen Ebenen zu viele Bedenken gab. Zu früh, zu voreilig, noch Prüfungsbedarf, erst die Änderung des Bebauungsplans vorbereiten…Und das dauerte dann: Der Zentrumsausschuss befasste sich derweil mit dem Raumbedarf der gegenwärtigen und zukünftigen Gemeindegruppen, bat um das Baureferat umVorschläge dazu; die Idee, Wohn- und Gemeindebereiche in einem Gebäude zu verbinden, trat als sinnvollste Lösung in den Vordergrund. Bis zum Frühjahr 2020 gab es zum Fortgang wenig zu berichten – und dann kam Corona.

Erst im Sommer 2021, nachdem sich das Planungsamt der Stadt schon mit dem Projekt beschäftigt hatte, wurde das Vorhaben auch der Gemeinde vorgestellt: zunächst im Gemeindebrief, dann in der Bezirksvertretungssitzung und im September schließlich auf einer Informationsveranstaltung in der Epiphaniaskirche.

Über 100 Gemeindemitglieder kamen, Pfarrer Lars Prüßner moderierte und der Finanzkirchmeister der Versöhnungs-Kirchengemeinde, Dietmar Hofemeier, beschrieb die prekäre Finanzlage des Vilsendorfer Zentrums. Dann erläuterte Mark Brüning die Grundzüge der Planung. Ziel sei bei allem, so Brüning, Gemeindearbeit in Vilsendorf für die Zukunft abzusichern. Bezirksbürgermeister Mike Bartels berichtete außerdem, dass die Bezirksvertretung Jöllenbeck die Wohnungsbauplanung durchweg positiv aufgenommen habe. 

Kaum zur Sprache kam, dass es über die angestrebte Schaffung des Planungsrechts hinaus noch keine verbindlichen Entscheidungen gibt. Das Presbyterium als Herrin des Verfahrens wird vor jedem weiteren Schritt das finanzielle Risiko für die Versöhnungs-Kirchengemeinde prüfen. Bei der anschließenden Diskussion kamen der Unmut, die Betroffenheit und auch das Misstrauen etlicher Gemeindeglieder zum Ausdruck, die sich im bisherigen Verfahrensablauf übergangen und bevormundet fühlten. Pfarrer Prüßner betonte, dass Zentrumsausschuss und Presbyterium die Einwände sehr ernst nähmen und mit den Bedenkenträgern das Gespräch suchen würden, um Missverständnisse abzubauen und konstruktiv vorwärts zu kommen. Alle Beteiligten verbinde letztlich das Bemühen, den Standort Vilsendorf in nicht leichter Zukunft gesichert und lebendig zu erhalten.

Inzwischen hat sich eine formlose Gruppe kritischer Gemeindegliedern in Vilsendorf  - im Folgenden „KGV“ - gebildet, die ihre Fragen, Einwände und Wünsche formuliert und dem Presbyterium unmittelbar vor dessen Sitzung im Oktober persönlich übergeben hat. Unter anderem wird darin nach Alternativen zur Großbebauung gefragt und der Wunsch ausgedrückt, das Gemeindehaus zu erhalten und/oder auch die Kirche in Erweiterung nutzbar zu machen. Die Gruppe wünscht sich, die Bedeutung des Vilsendorfer Gemeindehauses als Dorfmittelpunkt bei Neubauplänen zu nutzen und zu stärken – ein Anliegen, das aus Sicht des Presbyteriums eher an die Politik als die Kirche gerichtet werden muss. Außerdem dringt  die KGV in ihrem Schreiben auf regelmäßige Informationen, mehr Mitwirkungsmöglichkeiten für Gemeindemitglieder und eine baldige Gemeindeversammlung.

Einen Termin für eine Gemeindeversammlung zu diesem speziellen Thema hat das Presbyterium auf seiner Sitzung am 3.11. beschlossen: Dienstag, den 18. Januar 2022 um 20 Uhr in Vilsendorf, je nach Lage im Gemeindehaus oder in der Kirche.

            Hoffen wir, dass es coronakonform klappt! Aktuelle Informationen dazu später

Mitte November fand außerdem auf Einladung des Presbyteriums schon ein erstes Gespräch und Anfang Dezember ein weiteres Treffen von Vertretern der kritischen Gemeindegruppe, des Presbyteriums und des Zentrumsausschusses Vilsendorf statt.
Der Dialog ist im Gang.

BMB / OHE (aus dem Winter-Gemeindebrief, aktualisiert)